Harald Hartung

Übungen zur Literaturkritik

“Schlagt ihn tot, er ist ein Rezensent.” Goethe
“Er schreibt über mich, also bin ich.” Wolfgang Koeppen

Zwischen diesen beiden Einschätzungen schwankt das Urteil über Kritiker und Kritik. In Haß und Liebe – oft auch in Haßliebe – ist derjenige, der Literatur schreibt, mit dem verbunden, der ihn rezensiert und kritisiert. Literaturkritik ist aber eine Profession wie jede andere: etwas, das man lernen oder nicht lernen kann wie jeden anderen Beruf. Dichter und Schriftsteller, darf man nicht vergessen, sind oft nebenher auch Kritiker, ja sie leben manchmal eher vom Veröffentlichen ihrer Kritiken im Funk, in Zeitungen oder Zeitschriften als von den Erträgen ihre Gedichte oder Romane. Auch wer nicht eine Laufbahn als Starkritiker oder Literaturpapst anstrebt, dürfte davon profitieren, daß er die Gesetze des Verlassens von Kritiken erkundet und ausprobiert. Und wer Literaturkritiker im Hauptberuf werden möchte, sollte die gegebenen Möglichkeiten zum Training nutzen.
Eben dies Training zu bieten, ist die Absicht des Seminars. Das Entwerfen und Verbessern von Kritiken wird also – im Anschluß an die Lektüre von Kritiktheorie und exemplarischen Rezensionen – im Mittelpunkt des Seminars stehen. Dabei soll die Skala der Formen die Empfehlung, die Rezension, die Polemik, auch der Verriß) wenigstens ansatzweise ausprobiert werden. Einzelne Elemente (Ein-Leitung, Inhaltsangabe, Resümee etc.) wären eigens zu traktieren.
Um eine gewisse Praxisnähe zu erreichen, sollte auch das Redigieren einer vorliegenden Rezension geübt werden; also das Rollenspiel von Kritiker und Redakteur. Schön wäre es, wenn aus den Übungen eine regelmäßige Wandzeitung oder ein Zirkular erwachsen könnte, was wiederum zu Einsprüchen (Leserbriefen etc.) führen könnte. Auch der Kritiker ist ein Schriftsteller. Er trennt und verbindet.

Empfohlene Literatur:
Hans Mayer (Hrsg.): Deutsche Literaturkritik der Gegenwart (1933-1968) 2 Bde. Stuttgart 1971
Ein Büchertagebuch. Buchbesprechungen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Der Band 1999 ist der 33. Jahrgang)
Deutsche Literatur. Jahresüberblick. (Seit 1981; zuletzt der Band 1998) Reclam
Gründlich verstehen. Literaturkritik heute. Hg. F.J. Görtz und G. Ueding. Frankfurt/Main 1985 st1152
Literarisches Leben in der Bundesrepublik. Reclam 9509/ 9a (Weitere Literatur in einem Handapparat)

Theorie