Werner Fritsch

S: Strategien polymedialen Erzählens

In diesem Seminar sollen die verschiedenen ästhetischen Aggregatzustände eines Stoffes untersucht werden.
Selbstredend sind diese Untersuchungen das genaue Gegenteil der marktüblichen Merchandising-Überlegungen: der Motor herkömmlicher Mehrfachverwertung ist der Erfolg des Stoffes in einem Medium und die Transformation dieses Stoffes in ein anderes und hat in der Hauptsache mit der Hoffnung zu tun, diesen Erfolg dort zu maximieren.
Es soll im Gegenteil die Einmaligkeit, die “Jeweiligkeit” eines jeden Mediums herausgearbeitet werden. Gewinne und Verluste der “Übersetzungen”. (Aber auch für Seminarteilnehmer, die später Erfolgscoups zu landen im Begriff sind, kann dieses Seminar von Gewinn sein)
Aus meiner eigenen Arbeit werde ich CHERUBIM und die verschiedenen Stadien, die dieser Stoff durchlaufen hat, aufzeigen (Drehbuch, Roman, Film, Hörspiel/Hörbuch, Theaterstück). Außerdem CHROMA (Theaterstück, Buch, Fernseh-Aufzeichnung/Film-Fragment CHROMA FAUST PASSION).
Im Rahmen dieses Seminars sollen die Werke von Grenzgängern zwischen Genres untersucht werden: Autoren, die Filme (Pier Paolo Pasolini, Alain Robbe-Grillet, Marguerite Duras) oder Autoren, die Musik (Robert Zimmermann alias Bob Dylan, Leonard Cohen, Nick Cave, Lou Reed, Allen Ginsberg etc.) gemacht haben…
Andrerseits soll die Nähe gewisser Autoren zum Film/Bild beleuchtet werden: Herbert Achternbusch, Rolf Dieter Brinkmann… Auch die vielen Autoren, die Theaterstücke und Hörspiele gemacht haben, werden von Fall zu Fall herangezogen.
Als Portalfiguren polymedialen Erzählens werden Beckett, der in den Bereichen Lyrik, Prosa, Hörspiele, Theater und Film gearbeitet hat, und Pier Paolo Pasolini, der, anders als Beckett, einige seiner Stoffe in mehreren Medien realisiert hat, z.B. seinen Roman TEOREMA oder sein Theaterstück DER SCHWEINESTALL selbst verfilmt hat (es gibt auch eine gelungene Hörspiel-Umsetzung dieser modernen Heiligenlegende durch Heinz von Cramer), näher betrachtet.
Auch Filmemacher wie Derek Jarman oder Jean-Luc Godard fallen in den Fokus unserer Fragestellung: die Tatsache, daß die Tonspur bei Godard und Jarman ein eigenes Hörspiel ist, wird ebenso analysiert werden wie die Tatsache, daß die Texte in Godard-und Jarman-Filmen Zitatgespinste aus der Literatur sind…
Auch die theatralische Umsetzung von vielhundertseitigen Literaturwerken wie denjenigen Dostojewskijs oder Bulgakows durch Frank Castorf kann anhand von Fernsehaufzeichnungen besprochen werden.

Theorie