Ulrike Draesner

WeS: Übungen zum Gedicht

“Und” “er”, “sie”, “ich”, “wohl”, “ja”, “wie”, “daß” – die kleinen Wörter, die Füllsel, die sich nicht vermeiden lassen wollen, Pronomen, Konjunktionen, Rhythmushalter und Stimmungsträger, zum Teil scheinbar vorgegeben von der Grammatik: sie sind die kleinsten und zugleich größten Zerstörer. Oft übersehen, entfalten sie nie erwähnte Nebenwirkungen und bringen so manches Gedicht auf die ganz schiefe Bahn. Jeder Poet habe ein bestimmtes Grundvokabular von etwa 100 Wörtern, meist aus der Kindheit, meint Jossif Brodsky. Das mag stimmen, muß aber in jedem Fall ergänzt werden: ins Grundvokabular gehört der Umgang mit den gemeinen Kleinen.
Wir wollen Gedichte der Tradition, insbesondere des 20. Jahrhunderts (gern auch fremdsprachige), auf Gemein-Kleines untersuchen. Strategien der Kleinwortvermeidungund besser noch des geschickten Kleinworteinsatzes bei anderen Dichtern suchen, anerkannte Gedichte gegebenenfalls in Grund und Boden verdammen, uns in Übersetzungen und Kontrafakturen selbst üben und zugleich an der Analyse eigener und fremder Gedichte das Ohr schulen für die Tücken und die vielfältigen leuchtenden Möglichkeiten des “und” und & wie “ich” plus “du”.
Vorausgesetzt: eigene Gedichte sowie die Übernahme eines Referates zur Gedichtanalyse. Willkommen: Vorschläge für Analysebeispiele. Aspekt: von den gemeinen Kleinen zu einer Poetik möglicher Sprechorte im Gedicht.

Lyrik