Durchgefallen. Liebe als Kontroll-Instanz oder Warum sind Liebensgeschichten konservativ
Nichts scheint natürlicher, nichts möchte sich weniger erklären lassen als das Gefühl, verliebt zu sein. Kaum etwas anderes scheint so schwer faßbar, daß sich so schön davon reden läßt.
Literarische Texte, in denen die Liebe – oder ihr Ausbleiben – nicht wenigstens andeutungsweise thematisiert wird, haben schon verloren. Das in der abendländischen Literatur gern mit Entgrenzung, der Utopie von individueller Selbsterlösung oder der Sprengung gesellschaftlicher Fesseln und sozialer Schranken assoziierte Liebesmotiv unterliegt dabei selbst einem klar abgegrenzten Zeichenkodex. Jede Entgrenzung ist immer schon Teil einer Sprachregelung, eines gesellschaftlichen Sprach-Kostüms, das auf dichotome Paarmodelle und eine bipolare Geschlechteraufteilung rekurriert.
Vorhaben des Seminars ist eine theoretische Annäherung an grundsätzliche strukturelle Organisationsprinzipien, denen der Liebesdiskurs nicht zuletzt auch in literarischen Texten unterliegt, die Frage nach ihrer Historizität, ihren metaphorischen Aufladungen, sowie ihrer potentiellen Rückständigkeit.
Revoltierend soll anschließend die Möglichkeit der Überschreitung, Erweiterung oder Aushöhlung dieser Strukturen im eigenen literarischen Scha__ffen diskutiert werden.
Gelesen werden Michel Foucault: „Sexualität und Wahrheit, Bd.1”, Judith Butler: „Gender Trouble”, Roland Barthes: „Fragmente einer Sprache der Liebe”.