Tobias Hülswitt

WeS: Kindheit und Jugend als Text

Wie alt muss man sein, um was erlebt zu haben? Was muss man erlebt haben, um schreiben zu können? Was ist es wert, erzählt zu werden? Wie übersetzt sich das eigene Leben in Text? Wie finden es die eigenen Eltern, wenn man über sie schreibt? Was ist intimer: Fiktion oder Autobiografie? Wann wird es peinlich? Soll es vielleicht peinlich werden? Wie ‘wahr’ ist die Autobiografie? Wie funktioniert die Erinnerung? Wo ist die Vergangenheit hin? Ist sie wiederherstellbar? Was ist fiktiver – Fiktion oder Autobiografie? Sind Jugend und Tod alte Bekannte? Was fehlt uns eigentlich, die wir so wohlbehütet aufgewachsen sind?
Der amerikanische Narratologe Robert McKee fomuliert es in seinem Lehrbuch “Story” so: “Die Geschichte hat uns eines gelehrt: Wenn die die Atombombe abgeschafft ist, alle Obdachlosen ein Dach über dem Kopf haben und die Welt nur noch Solarenergie nutzt, dann wird jeder einzelne von uns noch immer bis über beide Ohren in der Patsche sitzen.”
Mit anderen Worten: Es fehlt uns immer etwas, und wenn uns nichts fehlt, dann fehlt irgendwas. Auch jede vordergründig noch so ereignislose Kindheit und Jugend kennt ihren Mangel, und wenn es der an Ereignissen ist. In diesem Seminar werden wir uns auf die Suche machen nach dem eigenen richtigen Ton, von Kindheit und Jugend zu erzählen.
Inhalt des Seminars: Die Studierenden klopfen im Gespräch mit mir und den anderen Seminarteilnehmer/inne/n die eigene Kindheit/Jugend oder die von Freunden und Bekannten auf erzählbare Stoffe ab (= Recherche in der Erinnerung) und wählen einen aus. Die geschriebenen Texte werden im Seminar besprochen und vom jeweiligen Autor aufgrund der Besprechung überarbeitet. Parallel dazu stellen die Seminarteilnehmer/innen in Referaten Texte bekannter Autoren und Persönlichkeiten über (ihre) Kindheit und Jugend vor.
Ziel des Seminars: Eine 5- bis 20seitige, mindestens einmal überarbeitete Erzählung, die um die (eigene) Kindheit oder Jugend kreist.
Literatur/Referate:
Franziska van Almsick, Aufgetaucht; Robert Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß; Robert Walser, Jakob von Gunten; Silvia Szymanski, Chemische Reinigung; Thomas Hürlimann, Fräulein Stark; Andreas Mand, Grovers Erfindung;
Benjamin Lebert, Crazy

(Die Liste wird zu Semesterbeginn fortgesetzt. Vorschläge willkommen! Bitte drei der Bücher vor Semesterbeginn lesen.)

Prosa