S/WeS: Tendenzen der Gegenwartsdramatik
Der Theaterwissenschaftler Hans Thies Lehmann hat die Wendung des postdramatischen Theaters zur Beschreibung von Gegenwartsdramatik und gegenwärtiger Aufführungspraxis geprägt. Was ist heute ein Theaterstück? Gibt es dafür überhaupt noch einen Regelkanon und würde ein solcher Regelkanon Sinn machen? Die Formenvielfalt heute geschriebener Theaterstücke enthält Textflächen, ohne einzelnen Figuren zugeschriebene Sprache, vermeintliche Prosa ohne direkte Rede, aber auch Dramen in fünf oder drei Akten mit Exposition, Konflikt etc. In dem Seminar sollen an Theatertexten so unterschiedlicher Dramatiker wie Elfriede Jelinek, Martin Crimp, Roland Schimmelpfennig, Rainald Goetz, Rene Pollesch, Jon Fosse aus den Texten heraus Kriterien entwickelt werden, was einen Text zum Stück macht, auch gerade anhand solcher Texte, die nicht als Theaterstücke aufzutreten scheinen, es aber dann doch sind. Begleitend soll sich mit den historischen und gegenwärtigen Theorien des Dramas beschäftigt werden: Aristoteles, Peter Szondi, Hans Thies Lehmann. Allerdings soll die Gültigkeit von Kategorien nicht die Textanalyse bestimmen, sondern umgekehrt unterschiedliche Bestimmungen dessen, was heute ein Bühnentext ist, erarbeitet werden. Als praktische Übung soll versucht werden, ein oder mehrere Stücke aus dem 18. oder 19. Jahrhundert für unsere Gegenwartserfahrung neu zu schreiben oder umzuschreiben.