Stefanie Carp

WeS: Szenisches Schreiben Was ist ein „Projekt“? Wie wird ein „Projekt“ erarbeitet

Seit einiger Zeit ist das „Projekt“ als Gattung in der Theaterpraxis aufgetaucht. Ein Projekt ist thematisch gebunden, hat aber zunächst keinen verbindlichen Text als Grundlage der Inszenierung. Projekte entstehen, indem ein Regisseur, ein Bühnenbildner, eine Gruppe von Schauspielern, ein Dramaturg oder Autor, ein Musiker oder Videokünstler ein Thema bearbeiten und aus diesem Thema Theater machen. Berühmte Projekte sind Christoph Marthalers „Murx“, „Stunde Null“, „Die Spezialisten“, „Groundings“, „Schutz vor der Zukunft“, weitere Beispiele sind die Arbeiten der Gruppen „Gob Squad“ oder „forced Entertainment“. Die meisten Arbeiten des Tanztheaters von Pina Bausch bis Wiliam Forcide und Meg Stuart sind in dieser Hinsicht „Projekte“, die weitgehend ohne Text arbeiten.
Das Seminar soll folgenden Aufbau haben: 1. Ein Bericht aus der Praxis: Wie entstehen „Projekte“? Wie und aus welchen Gründen kam man zu welchen Themen? Wie setzte man sie um? 2. Die Frage, wie kommt man zum Text? Die Praxis des Schreibens in einer Projektarbeit. Der Text entsteht während der szenischen Arbeit. Es wird in die Bilder, Situationen hineingeschrieben oder: Der Text ist die Konstruktion der Inszenierung. Möglicherweise wird kein Wort des Textes wörtlich auf der Bühne gesagt. Er bildet aber die Form des ganzen Abends. Der Text als Collage von dokumentarischem Material. Der Text als simulierte Dokumente. Der große Unterschied für den Autor zwischen der Arbeit an einem Theaterstück und der Arbeit an einem Projekt besteht darin, dass das Schreiben ein Teil der inszenatorischen Praxis ist, und dass diese Praxis kollektiv ist. Die Texte entstehen in einer konzipierenden Phase zwar häufig vor der unmittelbaren Probenarbeit, aber im Bewusstsein, dass sie sich während der Probenarbeit verändern werden. Die Einzelautorenschaft ist dabei fast unmöglich und fragwürdig. 3. Der Versuch, je nach Größe des Seminars ein Projekt gemeinsam zu konzipieren bzw. ein oder mehrere Themen mit den Studenten zu entwickeln, und unterschiedliche Entwürfe seiner Bearbeitung, sowie mögliche Texte zu schreiben. 4. Eine spezielle Form, die zwischen Drama und „Projekt“ liegt, ist die Bearbeitung von Romanen für die Bühne. Wie bearbeitet man einen Roman, ohne ihn in vermeintlich theatergerechte Kleindialoge zu verwandeln, was häufig seine sprachliche Besonderheit zerstört. Als Beispiel soll die Bearbeitung von Michel Houellebecqs „Elementarteilchen“ in der Inszenierung von Johan Simons herangezogen werden.

Dramatik