Werkstattmodul Stoffe, Motive und Schreibweisen der erzählenden Prosa: Fallstudien: Femme fatale oder geheimnisvolle Liebe

Inhalt des Seminars: Briefroman, Mono-Drama, Magischer Realismus, Präzision. Am 19. Oktober 1992 wurde Gert Bastian, ein Generalmajor, mit seiner Lebensgefährtin Petra Kelly in der gemeinsamen Wohnung in Bonn-Tannebusch tot aufgefunden. Nach dem Polizeibericht hatte Bastian seine Lebensgefährtin im Schlaf mit einer Pistole vom Typ Derringer erschossen und sich ausschließend selbst getötet. Alice Schwarzer protokolliert diese Tragik im Buch ‘Eine tödliche Liebe’(1994). Der Dichter Heinrich von Kleist wurde am 21.11. 1811 zusammen mit seiner Gefährtin Henriette Vogel in einer kleinen Grube am Wannsee tot aufgefunden. Die Obduktion ergab bei Kleist einen Mundschuss, bei Frau Vogel einen aufgesetzten Brustdurchschuss. Eine Frau wurde nach mehreren Jahren von ihrem Liebhaber verlassen. Sie wartet am Telefon auf eine letzte Aussprache. Das Gespräch wird mehrfach gestört. Das Telefongespräch ist für sie der letzte Kontakt zum Geliebten. Nach einem letzten Liebesbekenntnis schlingt sie plötzlich die Telefonschnur um ihren Hals. (La voix humaine/J.Cocteau 1930). Dr. Stephen Fleming, ein britischer Staatssekretär, und Anna Barton, neue Freundin seines Sohnes verlieben sich im ersten Blick hoffnungslos ineinander. Es ist eine Liebesgeschichte, die neben allem Glanz und aller Pracht, vor allem von verzehrenden Begierde, Eifersucht, Täuschung und voller Schrecken, voll grausamer Verletzungen, Abstürzen, und einem schrecklichen Tod geprägt ist. (Verhängnis/Josephine Hart, 1991). Die Protagonisten des Liebestodes in der Literatur – Tristan und Isolde, Romeo und Julia und Werther sehnen sich den Tod als Vollendung ihrer gesellschaftlich unmöglichen, verbotenen Liebe. Wagner hat ‘Isoldes Liebestod’ als ’Isoldes Verklärung’ genannt. – Diese Ohnmacht und Allmacht der Liebe. Der Mythos um die verhängnisvolle Frauen (Femme fatale) in der Literatur – Eva, Delila, Bathseba (Bibel), Pandora, Helena, Klytaemnestra (Homer), Carmen (Prosper Merimee), Nana (Emil Zola), Salome (Oscar Wilde), Lulu (Franke Wedekind) Lolita (V. Navokov), chinesische Aphrodite Yang Guifei (Paek Gui/Tang-Dynastie) und auch die Protagonistinnen der tödlichen Liebe – Paedra (J.Racine). Ophilia, Desdemona (Shakespeare), Gretchen (Goethe) sind nicht neu und sind auch heute noch aktuell. Der Begriff ‘Liebe’ ist in der Evolutionsbiologie nicht definierbar. Ist Verliebtheit nur die Dopamin- bzw. Serotonin-( Glückshormon) und Oxytozin-Ausschüttung (Hormon für die Basis des Vertrauens) im Gehirn, die Hemmschwellen herabsenken und das Vertrauen erhöhen, und endlich die Blindheit der Liebe verursachen? Um das Thema ‘verhängnisvolle Liebe’ zu vertiefen, arbeiten wir mit authentischen Dokumenten (Untersuchungsprotokoll, Anklageschrift, Urteilsschrift, Gefängnisdokument, Leichenschauund Obduktionsbericht etc.). Zu dem Seminar werden etlichen Experten eingeladen (Richter, Rechtsmediziner, Kriminal-, Gefängnisbeamter, Verhaltensforscher etc.). Begleitend zum Seminar werden mehrere Orte besucht. (Psychiatrie, Gefängnis, Gerichtshof, Obduktion, Polizeipräsidium, Suchtkrankenhaus, Max-Plankinstitut, etc.) Im Seminar werden wir ein Porträt einer Frau, eine Chronik einer Liebe oder Szenen eines Schicksals in Form Briefroman bzw. Monodrama schreiben. (Monolog, Magischer Realismus, Präzision erforderlich.) Literatur: Es wird gelesen und referiert: Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Jean Racine: Phedre. Gabriel Garcia Marquez: Die Liebe in den Zeiten der Cholera. Vladimir Nabokov: Lolita. Jean Cocteau: La voix humaine – Die menschliche Stimme. Marguerite Duras: Der Liebhaber. Murakami Haruki: Der Elefant verschwindet. Jürgen Schläder: Die Verklärung des Heroen im Liebestod, Stuttgart u. Weimar, 2002. Elisabeth Frenzel: Die dämonische Verführerin – Motive der Weltliteratur, Stuttgart, 1999. Helen Fischer: Warum wir lieben – Die Chemie der Leidenschaft, 2005. Film: Verhängnis (Damage): Louis Malle, 1992; Die Liebe in den Zeiten der Cholera : Mike Newell, 2007; Ju Dou: Zhang Yimoe, 1990; Gefahr und Begierde: Ang Lee, 2007