Valeri Scherstjanoi

LautWerkstatt – Kunst der Laute

Lautdichter ist zuerst Poet, Schriftsteller.

Die Schaffung von LautTexten passiert nach gleichen Gesetzen der Dichtung. Jeder möge seine eigenen Überraschungen unentweg schaffen. Man verlasse den allgemeinüblichen vorgegebenen (von wem?) Wortschatz mit seinen Bedeutungen und operiere mit den puren Lauten. Das bedeutet keinen totalen Verzicht (ist er möglich?) auf die Semantik. Jedem sei seine schöpferische Freiheit überlassen. Dadurch erkennt man sich wieder, man entdeckt sich wieder. Wichtig ist nicht die Frage, was ist ein Gedicht, sondern was könnte es sein. Ein KlangGebilde? „Das lyrische Gedicht ist ein komplexes Gebilde, in dem sich Inhalt, Sprachführung, Lautstand, rhythmische Bewegung usw. usf. miteinander unlösbar verbunden haben. Es gibt einen alten Spruch: Die Musik ist eine geheimnisvolle Ausübung der Arithmetik, bei welcher die Seele ihres Zählens sich nicht bewusst wird. Setzen wir statt Musik – Dichtung, so trifft die Feststellung durchaus ebenso zu“. Johannes Bobrowski Setzen wir statt Dichtung – Lautdichtung, so bekommen wir eine neue Definition der Lautpoesie. An den Texten oder spontanen Artikulationen so arbeiten, sie so zerlegen, dass man darin auf den ersten Blick nichts erkennt. Das Neue entsteht nach dem Prinzip des Zufalles. „Jeder Beginn ist Zufall. Führt man den Zufall konsequent durch, entwickelt man das zufällig Angelegte, Verlangte, so wird aus dem Zufall Notwendigkeit.
Zum Beispiel, der Beginn, der scheinbar ein totales Durcheinander, ein Tohuwabohu darstellt, besteht aus Einzelelementen, die in sich eine ganz klare Struktur haben, das heißt, die Unklarheit entsteht aus Klarheit“. Carlfriedrich Claus Man braucht den eigenen Körper, die eigene Stimme, denn die Lautpoesie ist ein autonomer und intimer Bereich der Dichtung, wo vor allem am Klangmaterial des akustischen Alphabetes gearbeitet wird. Daraus können die artikulatorisch-akustische Kompositionen entstehen: – von der Rhythmik bis zu den Mikrophonemen. Im Ergebnis hat man eine bewusste Ignorierung des allgemeinen Sinnes, man operiert nicht mehr mit Fertigteilen der Sprache. Die Schaffung von anderen Kommunikationen auf der emotionalen Ebene zugunsten der reinen Klänge, im Sinne von Carlfriedrich Claus: „Einem luftigen akustischen Kosmos entgegen“.

Literatur:
Carlfriedrich Claus: Notizen zwischen der experimentellen Arbeit – zu ihr. Frankfurt/Main 1964
Raoul Hausmann: Der deutsche Spießer ärgert sich (Katalog) Berlin 1994
Annette Gilbert: Bewegung im Stillstand Erkundungen des Skripturalen bei Carlfriedrich
Claus, Elizaveta Mnatsakanjan, Valeri Scherstjanoi und Cy Twombly. Bielefeld 2007
Ernst Jandl: falamaleikum Darmstadt 1983
Neue Poesie 20 Jahre Bielefelder Colloquium Kunsthalle Bielefeld 1997
Gabriel Ptok: Ästhetische und therapeutische Kommunikation mit Lautgedichten St. Ingbert 2006
Gerhard Rühm: TEXTBILDMUSIK ein schau- und lesebuch Wien 1984
wortBILD Visuelle Poesie in der DDR Herausgegeben von Quillermo Deisler und Jörg Kowalski Halle/Leipzig 1990
Fümms bö wö tää zää Uu: Stimmen und Klänge der Lautpoesie Basel und Weil am Rhein 2002 1 CD und Buch Herausgegeben von Christian Scholz und Urs Engeler

Lyrik