Grundlagenmodul Lyrik: Erzählen im Gedicht (II)
Ein Erzählen im Gedicht ist möglich – soviel lässt sich nach den im vergangenen Semester begonnenen Einkreisungen und Erprobungen behaupten. Allerdings, und dies gilt es nun im zweiten Teil des Seminars zu vertiefen, gehorcht dieses Erzählen deutlich anderen Parametern als es in der Prosa der Fall ist. Das Erzählen im Gedicht muss knapp gehalten werden, zugleich offen und kompakt, und darf nicht zu Lasten der Versmusik gehen. Information, die den Rhythmus und das klangliche Gefüge sprengen, haben darin keinen Platz. Das Erzählen im Gedicht glückt eher in der versinnlichten Situation als durch reflektierenden Zugang, es lebt von Bildern, die seine subjektiven Gehalte plastisch und übertragbar machen – es braucht, wie Eliot schrieb, ein „objective correlative“. Ohne meditative Versenkung in seine Gegenstände ist es nicht zu haben. Wenn diese aber gelingt, dann kann das Gedicht „die lebendige Zeichnung eines menschlichen Wesens erschaffen“ (Ted Hughes). – Wieder wollen wir in jeder Sitzung die kritische Begutachtung frisch geschriebener Gedichte der Studierenden mit Exkursionen in die Literaturgeschichte (einschließlich der Gegenwart) verbinden. Anhand von Kurzreferaten, die zu Semesterbeginn vergeben werden, wird jeder Teilnehmer sich und uns mit einem Autor vertraut machen, von dem sich für das eigene Schreiben lernen lässt.