Antje Rávic Strubel

Kenntnis exemplarischer Werke: Sag’s einfach brillant: Der Essay.

Der Essay gilt als eine der schillerndsten und freiesten Formen der Literatur. Er ist ein Versuch. Ein gedankliches, an Erfahrung gelehntes Experiment. Ein denkerisches Spiel. Während ihm wegen seiner Leichtigkeit, seiner angestrebten Verständlichkeit und seines Esprits eine Nachbarschaft zum Aphorismus nachgesagt wird, kann er gleichzeitig politische Brisanz gewinnen, da er Themen auf unmittelbare und ungewohnte Weise in den Blick nimmt. Das Aufwerfen einer Frage ist hier wichtiger als ihre Beantwortung, die Entwicklung eines Gedankens wichtiger als sein Gegenstand, und formulierte Skepsis ersetzt ideologische Schlagwörter. Im Zentrum steht immer die Persönlichkeit der Schreibenden, ihr subjektiver, spezifischer Blick auf ein gesellschaftliches, kulturelles, politisches Phänomen. Und dieser Blick prägt wiederum die Form, was das Schreiben eines Essays zu einem schwierigen kompositorischen Verfahren macht: Die Freiheit des Denkens in die größtmögliche Nachvollziehbarkeit der Gedanken zu fassen. Wir werden uns im Seminar mit vier starken subjektiven Positionen beschäftigen und ihre sprachliche Verfasstheit untersuchen, die dann zum Anlass werden sollen, sich einem eigenen Thema essayistisch zu nähern. Literatur: Virginia Woolf: Ein eigenes Zimmer. Djuna Barnes: New York. Silvia Bovenschen: Schlimmer machen, schlimmer lachen. Joan Didion: Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben. Marie-Luise Scherer: Der Akkordeonspieler. Wahre Geschichten aus vier Jahrzehnten. Ilse Aichinger: Kleist, Moos, Fasane.

Theorie