Ina Hartwig

Literaturtheorie: Poetik der Kindheit

Das Konzept einer behüteten, „bürgerlichen“ Kindheit, die abgelöst wird von einer Phase der Jugend, die sich bis weit ins Erwachsenenalter hineinzieht, ist recht neu. Ob die Kindheit eher Quelle des Glücks oder Unglücks sei, darüber hat die Literatur vieles und höchst Unterschiedliches zu sagen. Eines aber steht fest: Kindheit ist unhintergehbar für das literarische Schreiben, als Sujet und als Erfahrung. Am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stand die Entdeckung der kindlichen Sexualität durch Sigmund Freud; an seinem Ende zeigt sich Kindheit von digitalen Parallelwelten domestiziert. Dazwischen gab es geschundene Kindheiten und antiautoritäre Aufbrüche. Verblüffend der Reinheitskult, den eine hysterisierte Mediengesellschaft ums Kind treibt. Wir wollen in diesem Seminar die Poetik der Kindheit erkunden. Dazu werden wichtige kanonische Texte gelesen. Parallel dazu sollen die Studieren über ihre eigene Kindheit nachdenken und schreiben, fiktionalisierend, autobiographisch oder theoretisierend. Zur Vorbereitung sei empfohlen: Sigmund Freud: Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben („Der kleine Hans“); Walter Benjamin: Berliner Kindheit um Neunzehnhundert; Peter Handke: Kindergeschichte.

Theorie