Treideln: Frankfurter Poetikvorlesungen
“Poetikvorlesung? Kommt nicht in Frage. Man ist entweder Autor oder Poetikbesitzer. Ich bin doch nicht mein eigener Deutsch-Leistungskurs. Ohne mich.” Mit Juli Zeh wird eine promovierte Juristin und streitbare, scharfsinnige Autorin im Sommersemester 2013 an der Frankfurter Goethe-Universität als Gastdozentin für Poetik lehren. Unter dem Titel Treideln wird sie über Bedingungen und Grundlagen ihrer literarischen Arbeit sprechen und dabei versuchen, eine “Anti-Poetologie” zu entwerfen. Poetik, so sagt Juli Zeh, ist etwas für “Quacksalber, Schwächlinge, Oberlehrer, Zivilversager und andere Scharlatane”. Schreiben lebt von der “Poetikfeindlichkeit”, ist nämlich ein “verschriftlichtes Selbstgespräch”. “Poetik klingt immer so, als wüsste der Autor, was er da tut dabei weiß er bestenfalls, was er getan hat”. „Doch zunächst einmal ledert Juli Zeh ab gegen eine Versorgermentalität der Schriftsteller, über die schreibenden Männer über 50, die ihre Sexualprobleme für gesellschaftlich relevant erklären müssen, um die Dringlichkeit ihrer Texte rechtfertigen zu können. “Treideln”, der Titel, den Juli Zeh ihrer Vorlesung gegeben hat, ist das von ihrem fiktiven Helden Karl Treidel abgeleitete Verb. Karl Treidel dient als Leitmotiv der Vorlesung, an ihm erprobt die Autorin die Möglichkeiten von Erzählperspektiven und Figurenkonstellationen. Auch vom Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und dem parallelen Studium der Rechtswissenschaften ist die Rede. Im Plauderton entwirft Juli Zeh eine Künstlerbiografie der Gegenwart. Überhaupt steckt eine Menge drin in diesen Vorlesungen. Die Zeh\‘schen Grundthemen, Freiheit und deren freiwillige Aufgabe, das Gezwungensein des Menschen zu Freude, Gesundheit und Wohlergehen, sind in “Treideln” aufgehoben in der lockeren Form eines Dialogs, dessen imaginären Partner man sich stets mitdenken kann. Richtig in Fahrt kommt Juli Zeh anhand der (hoffentlich fiktiven) fünf Fragen, die ein Zeitungsredakteur der Autorin zumailt: “Mit beinahe übermenschlicher Intuition haben Sie die von mir am meisten gehassten Fragen getroffen.” Der bedauernswerte Redakteur erhält darauf (“Frau Zeh, steht hinter Ihrer politischen Einmischung eine mediale Strategie?”) eine ausführliche, hochkomplexe Antwortsalve. So genau wollte der Mann das bestimmt niemals wissen. Wir schon“ (taz)