Neujahr
Lanzarote, am Neujahrsmorgen: Henning will mit dem Rad den Steilaufstieg nach Femés bezwingen. Seine Ausrüstung ist miserabel, Proviant nicht vorhanden. Während er gegen Wind und Steigung kämpft, rekapituliert er seine Lebenssituation. Eigentlich ist alles in Ordnung, die Kinder gesund, der Job passabel. Aber Henning fühlt sich überfordert. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit einiger Zeit leidet er unter Panikattacken, die ihn heimsuchen wie ein Dämon. Als er schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, führt ihn ein Zufall auf eine gedankliche Zeitreise in seine Kindheit. Schlagartig durchlebt er wieder, was ihn einmal fast das Leben gekostet und bis heute geprägt hat. Der Roman Buch „macht diese Dynamik erzählerisch erfahrbar – ohne didaktischen Zeigefinger, aber auch mit dem Privileg von Literatur, nicht gleich eine politische Lösung parat haben zu müssen. Man muss den Roman deshalb noch lange nicht als Parabel lesen und täte ihm auch unrecht, würde man ihn auf ein Gleichnis reduzieren. Die gesellschaftspolitische Ebene ließe sich beim Lesen ausklammern; es bliebe dann immer noch ein gut geschriebenes und klug konstruiertes Buch, eine Art Psychothriller. Aber weil beides, der Thriller und die Gesellschaftsanalyse, hier so dicht ineidergreifen, ist “Neujahr” vielleicht Juli Zehs bislang bestes Buch“ (SZ)