Prosa II: Nähe und Distanz: Immersion oder Reflexion
Der Begriff der Immersion, des Eintauchens, hat in den letzten Jahren, vor allem im Zusammenhang mit Virtual Reality, in der kunsttheoretischen und ästhetischen Debatte an Bedeutung gewonnen und es scheint, als werde Immersion vermehrt als Qualitätsmerkmal für alle Kunstgattungen propagiert — gute Literatur soll den Leser also völlig in die Geschichte eintauchen lassen und eine distanzlose Perspektivübernahme ermöglichen. Wir sollten dieser Forderung zumindest mit Skepsis begegnen. Distanz ist für das Schreiben ein ebenso wichtiger Begriff wie Nähe, denn die Distanz, als Gegenmodel zur Immersion, verpflichtet uns Schreibende und unsere Leser:innen dazu, eine reflektierte Haltung einzunehmen. Wir loten im Seminar anhand von literarischen Beispielen und theoretischen Texten die beiden Pole — immersive Präsenzmomente und ironisch-skeptische Hermeneutik — aus und versuchen uns in praktischen Schreibübungen an ihrer Umsetzung. Praktisch versuchen wir uns an literarischen Mitteln der Immersion und Mitteln der literarischen Distanzierung, die wir in Schreibübungen zur Anwendung bringen, deren Ergebnisse wir in den Seminarsitzungen diskutieren und analysieren.