WeS: Die Erzählung
Zwischen dem Erzählen und der Erzählung liegen Ozeane; meistens die Ozeane der Geschwätzigkeit. Diverse Prosa-Fragmente, verworfene Textanfänge oder Romankapitel lassen sich kaum je als Erzählung deklarieren und auch nicht in so etwas „umstricken“. Denn die Erzählung ist eine „wahre Perle der Prosakunst“ (Hofmann), sie ist das, was ich gern einen Brühwürfel nenne, also ein möglichst schlackenloses, streng komponiertes Ganzes, in dem jedes Wort zählt (ja, und auch erzählt). Das entspricht einer Logik, die man meinethalben mathematisch nennen mag: Je weniger Worte ein Text hat, desto wichtiger ist jedes einzelne, und dies bringt die Erzählung, wiewohl sie bescheidene Beiläufigkeit vortäuscht, in die Nähe des Gedichts; sie verlangt nach anderen Sprach- und Stilmitteln als die sonstige Belletristik und begibt sich oft schon am Anfang in den Sog des Endes, lebt vom Verschwiegenen mehr als vom Hingeschriebenen, folgt nicht selten der Dramaturgie des Witzes.
Was das Prinzip Erzählung ausmacht, worin der spezielle Reiz dieser literarischen Gattung besteht, wie eine Erzählung besser, ja, möglicherweise vollkommen wird, das ist das Grundthema dieses Seminars, und selbstverständlich sollten wir uns mit den Erzählungen der Seminarteilnehmer befassen, aber ebenso mit Beispielen aus der Literatur, gelungenen und weniger geglückten.